Das Jagdschloss Glienicke und dessen Umgebung sind Teil der Parklandschaft Potsdams. In den Jahren der Deutschen Teilung wurde diese Landschaft zerrissen, da sie zum Teil auf West-Berliner Gebiet lag. Diese Trennung hat Spuren hinterlassen, besonders im Bereich des Glienicker Jagdschlosses.
Das durch Grenzsicherungen und Abbruchmaßnahmen verunklärte Vorfeld vor dem Hauptportal des Schlosses wird von uns mit vorgefundenen Formen bearbeitet. Zunächst sind da die Elemente der Landschaft, die sich auch noch im Bereich des Schlosses und des Dorfes Klein-Glienicke finden lassen.
Die Wegebeziehungen wie die Allee vom Babelsberger Tor zur Strasse in den Babelsberger Park. Diese Allee verläuft gepflastert auf einem Damm, beidseitig gesäumt von einem etwas niedrigeren, flankierenden Weg zur Erschliessung der Randgrundstücke. Die ursprünglich zierlichen Alleebäumchen sind inzwischen zu stattlichen Bäumen herangewachsen.
Ein weiteres Element sind Sichtbeziehungen, die durch die Anlage von "Fenstern" und Schneisen in der Bepflanzung freigehalten und betont wurden. So hatte man von der Loggia Alexandra auf dem Böttcherberg einen Blick über das Jagdschloss bis nach Potsdam und dort in den Park von Sanssouci hinein. Vom Babelsberger Tor entlang der Bäke öffnete sich der Blick auf das Ensemble des Babelsberger Schlosses und seines Maschinenhauses. Diese Sichtbeziehungen sind immer noch zu erahnen, auch wenn sie zum Teil durch unkontrollierten Pflanzenwuchs zugewuchert wurden.
Die Bäke ist ein künstlich angelegter Wasserlauf, sie verband die Glienicker Lake mit dem Griebnitzsee. Künstliche Gewässer waren und sind wichtige Elemente dieser Parklandschaft. Der Durchstich des Teltowkanals dagegen geschah weniger aus gestalterischen überlegungen, sondern ermöglichte den Schiffsverkehr zwischen der Dahme und der Havel. Dennoch bestimmt diese Wasserstrasse die Landschaft um das Glienicker Jagdschloss.
Mit der Deutschen Teilung kam die Mauer. Sie zerschnitt das Glienicker Parkgebiet. Die Grenzsicherungsanlagen veränderten das Bild der Schlossumgebung. Teile der Bäke wurden verrohrt, bestehende Bebauung wurde abgebrochen. Das Schloss wurde von seinem Vorfeld getrennt, das Dorf Klein-Glienicke wurde seiner Umgebung entrissen.
Bebauung spielt in der Parklandschaft eine besondere Rolle. Die Schlösser im Potsdamer Raum waren bestimmende Objekte der Parklandschaft. Doch auch die ihnen zugehörigen Gebäude prägten die Landschaft, wie die Schweizerhäuser am Glienicker Jagdschloss. Doch auch Bauten sind vergänglich. Einige Schweizerhäuser, die Reithalle und andere Bauten des Klein-Glienicker Ensembles fielen dem Mauerbau zum Opfer. Dennoch sind sie in der Erinnerung noch präsent und als Vergangenes - quasi als Schattenarchitektur - noch Teil der Gesamtanlage.
Der Faktor Zeit manifestiert sich nicht nur im Werden und Vergehen der Mauer und im Wandel der Bebauung. Sie wird unmittelbar in der Überwucherung durch Pflanzen, die den gestalteten Park, seine Freiflächen, den Mauerstreifen und die historischen Gebäudestandorte zurückerobern und langsam in Wald verwandeln.
In unserem Beitrag abstrahieren wir nun diese Schichten, um sie dann frei zu rekombinieren und im Schlossvorfeld zu konzentrieren. Damit machen wir auf den Status Quo aufmerksam, wir verdeutlichen die Verschränkungen der einzelnen Schichten miteinander durch die Objekte, die wir schaffen, und wie diese aufeinander reagieren. Mit diesen Mitteln bilden wir eine begehbare Skulptur aus, die die Landschaft im kleinen widerspiegelt:
Die übergeordnete Sichtbeziehung nach Sanssouci stellt das Rückgrat des Ensembles dar. Sie teilt die Wiese an der Möwenstrasse diagonal und hält in dieser Richtung ein Sichtfenster vom Schlossvorplatz zur Loggia Alexandra offen. Dazu verwenden wir Buchsbaumhecken, die zwar immer wieder Ein-, aber nur auf der Sichtachse einen Durchblick zulassen.
In deren Zentrum liegen drei gegeneinander verdrehte Steinplatten übereinander, die das Jagdschloss Glienicke symbolisieren. Die beiden unteren Platten nehmen je einen der Wege auf, die für die Erschließung des Schlosses stehen und in ihrer Lage auf die Hauptbesucherströme ausgerichtet sind. Sie werden ebenfalls durch Hecken aus Buchsbaum flankiert. Die obere Platte nimmt die Achsen des Jagdschlosses auf.
Das Gebiet wird außerdem von einer abgesenkten Mauer in strikter Nord-Süd-Ausrichtung durchschnitten. Sie steht für die Grenze bzw. ihr Verschwinden. Aus der Entfernung ist sie kaum noch zu sehen, gerade mal zehn Zentimeter sind über Geländeniveau auszumachen. Wenn man sich ihr nähert, bekommt sie dann mehr den Charakter eines Hindernisses, ist aber doch mit einem Schritt zu überwinden.
Ebenfalls mit einem großen Schritt ist der von uns neu gelegt Wasserlauf zu überwinden. Er symbolbisiert den Teltow-Kanal und die Bäke, in die er mündet, aber auch die Potsdamer Seenlandschaft. Er entspringt einem Brunnen nördlich der Louis-Nathan-Allee und endet mit einer kleinen Wasserstufe.
Die Schatten der ehemaligen Bebauung veranschaulichen wir mit gemauerten, ins Gelände eingelassenen Quadraten, die mit Kies aufgefüllt, sozusagen eingeebnet sind.
Und zu guter Letzt gibt es noch eine Vielzahl von Stelen, die die Landschaft wie Unkraut überwuchern. Ihnen kommen mehrere Aufgaben zu: Zu allererst führen sie vor Augen, was passiert, wenn Kulturlandschaft sich selbst überlaßen wird. Die Natur holt sie sich zurück und macht das menschliche Schaffen ungesehen. Das ist naturlich an vielen Orten zu begrüßen, doch in Babelsberg, wo über Jahrhunderte die Landschaft aufwendig gestaltet wurde, wiegt der Verlust schwerer. Um den Charakter der Störung zu betonen, stehen die Stelen nicht lotrecht. Sie bestehen aus "künstlichen" Materialien - einem metallenen Sockel, auf den ein transparentes Kunststoffrohr gesteckt ist. Bei Dunkelheit werden diese Stelen durch ein Leuchtmittel, das im Sockel untergebracht ist, zu farbigen Lichtsäulen. Damit bekommt die Skulptur eine weitere Funktion, sie wird zum Nachtgarten. Und schließlich können die Lichtstelen den Vorplatz des Glienicker Jagdschlosses verlassen und im gesamten Potsdamer Schlösser- und Parksystem wieder auftauchen. Vielleicht haben diese Stelen sogar das Potential zu einer Art Markenzeichen zu werden. Irgendwann leuchten sie vielleicht vor dem Kölner Dom und rufen den Passanten zu: "Los, kommt nach Potsdam!"